Wie nehmen Menschen, die auf der Straße leben, ihre Umwelt wahr?
Was sehen sie, wenn sie morgens aufstehen, ihren Tag in der Stadt verbringen, beim Betteln, wenn sie von A nach B gehen, essen, schlafen? Sechs Menschen, die tagsüber und nachts die meiste Zeit auf der Straße verbringen, haben das, was sie sehen, mit Einweg-Kameras festgehalten. Die dabei entstandenen Fotos werden in dieser Ausstellung gezeigt.
Entstanden ist die Idee, nachdem das erste Corona-Semester im Sommersemester 2020 an der OTH-Regensburg nicht wie geplant stattfinden konnte und das Projektseminar „Sozialraum Albertstraße“ andere Wege gehen musste. Sämtliche Forschungsprojekte – normalerweise im ‚freien Feld‘ durchgeführt – mussten ohne Kontakt stattfinden, eine Herausforderung, die zu unerwarteten Resultaten geführt hat.
Mit dankenswerter Unterstützung der beiden Streetworker*innen, Melanie Tomaschko und Ben Peter, konnten fünf Einweg-Kameras an Menschen ohne Obdach ausgehändigt und wieder eingesammelt werden. Nach Sichtung der Fotos fiel schnell die Entscheidung, die Bilder – mit Einverständnis der Fotograf*innen – der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Fotos zeigen eindrücklich, welchen Blick Menschen auf der Straße auf ihre Umgebung haben. Aus der Froschperspektive aufgenommen sind häufig nur Beine zu sehen, die Orte, an denen sie sich aufhalten, sind nicht nett, sondern schmutzig, dunkel, deprimierend. Da diese Menschen oft selbst nicht gesehen werden, ist es Ziel der Ausstellung, das, was sie sehen, zu zeigen – und sie darüber selbst sichtbar zu machen.
Die Corona-Situation hat die ohnehin
schwierige Situation von obdachlosen Menschen noch mal verkompliziert und dramatisiert: Sinkende Spendenbereitschaft aus Kontaktangst, geschlossene Behörden, Vertreibung aus dem öffentlichen Raum. Verschiedene Expert*innen aus dem Hilfefeld haben uns Zitate aus den mit ihnen geführten Interviews zur Verfügung gestellt, die zeigen, wie diese Situation sich darstellt und was zu ihrer Bewältigung notwendig war und ist.
Ursprünglich als Wanderausstellung geplant, ist zum jetzigen Zeitpunkt nur das Format einer virtuellen Ausstellung möglich. Die Fotos sind den einzelnen Fotograf*innen, die sich einen Nickname gegeben haben, zugeordnet, um die individuelle Perspektive der Betroffenen wieder zu geben. Wir freuen uns über Ihr Interesse!
Prof. Dr. Gabriele Scheffler